Am 31. Juli 1894 wurde die Spar- und Darlehnskasse Hagen, eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht gegründet. Wenige Tage später erfolgte die Eintragung beim Amtsgericht in Bad Iburg. Die unbeschränkte Haftpflicht – abgekürzt eGmuH – war gerade bei den ländlichen Kreditgenossenschaften Usus. Leider sind historische Akten, aus denen wir Informationen über die Geschichte der Bank in den Gründungsjahren gewinnen könnten, nicht überliefert. Daher basieren alle hier genannten Daten auf einer Festschrift, die anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Volksbank Georgsmarienhütte-Hagen eG im Jahr 1994 veröffentlicht wurde.

Zu den Gründern gehörten:

  1. Julius Hüggelmeyer, Ökonom aus Ohrbeck, Initiator und bis 1923 im Aufsichtsrat der Spar- und Darlehnskasse
  2. Heinrich Wortmann, Colon (Bauer, Pächter eines Erbzinsgutes / Erbpachthofes) aus Mentrup
  3. Ferdinand Otte, Colon aus Natrup
  4. Wilhelm Lammers, Gastwirt und Holzhändler aus Natrup
  5. Ludwig Böhne, Tierarzt aus Hagen-Beckerode
  6. August Stock, Gastwirt aus Hagen-Beckerode
  7. David Thiesmeyer genannt Rethmann, Colon aus Gellenbeck
  8. August Meyer to Bergte, Colon aus Gellenbeck
  9. Hermann Wegmann, Lehrer aus Hagen-Beckerode
  10. Heinrich Kruse, Colon aus Altenhagen
  11. Hermann Wilxmann, Colon aus Altenhagen
  12. Joseph Franksmann, Colon aus Gellenbeck
  13. Bernhard Witte, Colon aus Natrup
  14. Friedrich Herkenhoff, Kaufmann und Gastwirt aus Hagen-Beckerode
  15. Friedrich Beenken, Pastor aus Hagen-Beckerode
  16. Hermann Rönker, Neubauer und Schmied aus Hagen-Beckerode
  17. Bernhard Schopmeyer, Markkötter aus Hagen-Beckerode
  18. Karl Stock, Bäcker und Gastwirt aus Hagen-Beckerode
  19. Kaspar Schulte to Brinke, Colon aus Hagen-Beckerode
  20. Conrad Dammermann, Bäcker und Gastwirt aus Hagen-Beckerode
  21. Heinrich Bücker, Markkötter aus Gellenbeck
  22. Eberhard Bücker, Markkötter aus Große Heide
  23. Mathias Völler, Colon aus Mentrup
  24. Heinrich Voß, Colon aus Natrup
  25. Heinrich Plantholt, Colon aus Natrup
  26. Rudolf Kriege, Colon aus Sudenfeld
  27. Johannes Dransmann, Küster aus Hagen-Beckerode
  28. Heinrich Konersmann, Gastwirt und Schlachter aus Hagen-Beckerode

Vorgeschichte

Laut der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Genossenschaftsbank hatten auch in Hagen so genannte ‚Wuchergeschäfte‘ – Geschäfte mit Geldverleihern, deren Geschäftspraxis für die Bauern undurchsichtig war (siehe z.B. „Der Wucher auf dem Lande“, hg. v. Verein für Socialpolitik, 1887) – zunehmend Anlass zur Besorgnis gegeben. Julius Hüggelmeyer, ein sehr geachteter Landwirt und Ökonom, der den Hof des Vaters hatte entschulden können, galt als ein Denker des Fortschritts. Mit wissenschaftlichen Kenntnissen und der Überzeugung, dass die Landwirtschaft mit den althergebrachten Anbaumethoden, mit ihrer herkömmlichen Marktzugangslage und den bestehenden Strukturen nicht zukunftsfähig sei, stieß Hüggelmeyer 1894 die Gründung der Spar- und Darlehnskasse Hagen an. Unterstützt wurde er bei dem Vorhaben von Heinrich Wortmann, Samtbürgermeister von Hagen 1894 bis 1924, Pfarrer Friedrich Beenken sowie dem Lehrer Hermann Wegmann.

Ziel: ein passender Finanzintermediär für die ländliche Bevölkerung. Die Filiale der Kreissparkasse, die in Hagen im Haus des Kaufmannes Kreimer bereits bestand, hatte wenig Zulauf. Gründe hierfür – wie wir aus anderen Studien wissen – können zweierlei gewesen sein:

1. Die Konditionen der Sparkasse passten nicht zu den Bedarfen der Landwirte und die Anforderungen, an die Sicherung der Darlehn, waren meist unverhältnismäßig aufwendig.

2. Die Landwirte hatten Sorge, dass das Finanzamt über die Sparkasse direkt Kenntnisse über ihre finanzielle Lage bekommen würde (siehe etwa Frauke Schlütz: Ländlicher Kredit, 2013, Kapitel III.2). Vermutlich daher die geringe Nutzung der Kreissparkasse.

 

Julius Hüggelmeyer aus Ohrbeck (Quelle: Festschrift 100 Jahre VB GMHütte-Hagen, 1994, S. 23)

 

Vorstand und Aufsichtsrat

Wichtige Ämter waren zu besetzten – mit Personen, die lesen und schreiben konnten und die in Hagen gut vernetzt waren, und somit das Vertrauen der Bevölkerung genossen. Lehrer Wegmann übernahm das Amt des Rendanten, führte also die Geschäfte der Kasse. Dem ersten Vorstand gehörten Heinrich Wortmann als Vorsitzender, Ferdinand Otte (Beisitzer) und Hermann Wegmann an, der als Rendant Teil des Vorstandes war – heute würden wir „geschäftsführendes Vorstandsmitglied“ sagen. Alle Posten waren Ehrenämter, lediglich der Rendant erhielt eine kleine Aufwandsentschädigung. Der erste Aufsichtsrat bestand aus Julius Hüggelmeyer (Präsident), August Stock und Wilhelm Lammers.

Johann Heinrich Wortmann aus Hagen (Quelle: Festschrift 100 Jahre VB GMHütte-Hagen, 1994, S. 25)

 

Erste Geschäftsjahre

Die Geschäfte führte also zunächst Lehrer Hermann Wegmann, der von 1868 bis 1908 in Hagen unterrichtete. Bereits 1895 wurde er von Conrad Dammermann abgelöst, da Wegmann von der Regierung lediglich die Genehmigung erhalten hatte, neben seiner Lehrertätigkeit für maximal ein Jahr die Geschäftsführung der Spar- und Darlehnskasse Hagen zu übernehmen. 1898/99 war Wegmann nochmals Rendant.

Lehrer Wegmann (Quelle: Festschrift 100 Jahre VB GMHütte-Hagen, 1994, S. 25)

Die erste Generalversammlung fand am 1. November 1894 im Gasthaus Herkenhoff statt. 34 Mitglieder waren eingeladen, allerdings nur 24 anwesend. Auf der Tagesordnung standen vor allem zwei ‚TOPs‘:

1. Erweiterung des Höchstbetrages der bei der Zentralkasse als Anleihe aufzunehmenden Betrages von 30.000 Mark auf nunmehr 75.000 Mark.

2. Die Erhöhung des Betrages, der maximal an Mitglieder verliehen werden durfte (15.000 Mark, in Ausnahmefällen auch 20.000 Mark).

Die Vergabe von Darlehn war damals auf Mitglieder beschränkt – so wollte es das Genossenschaftsgesetz. Das erste Geschäftsjahr schloss mit einem Überschuss von nicht ganz 200 Mark ab, der Kassenbestand belief sich auf etwa 3.000 Mark.

Mit Unterstützung des Verbandsrevisors Fricke wurde zügig ein Geldschrank angeschafft. Schließlich war es nicht ungefährlich, solche Summen frei zugänglich im Haus liegen zu haben. Auch war die Anschaffung (ein solcher Schrank kostete etwa 450 Mark) sinnvoll, da die Spar- und Darlehnskasse Hagen allein im Sommer 1898 Wertpapiere (Anleihen der Stadt Herford) im Wert von 12.000 Mark gekauft hatte, um die Spareinlagen, die Kunden und Mitglieder bei der Spar- und Darlehnskasse angelegt hatten, so unterzubringen, dass sie für das Geld Zinsen erwirtschaften konnten. Die Zentralkasse hatte das Geld offenbar nicht angenommen bzw. nur gegen geringe Zinsen. Der Vorstand wollte das Geld aber nicht bloß zinslos bei der Zentralkasse ‚parken‘. Diese Papiere waren also auch aufzubewahren und die Privatwohnung des Rendanten wäre ohne entsprechenden Geldschrank sicherlich nicht der geeignetste Ort gewesen.

Feste Kassenstunden gab es offenbar nicht – so zumindest ein Bericht des Lehrers Konrad Hinze, der in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum abgedruckt ist: „Es gab anfangs kein Kassenlokal und keine Kassenstunden. Er stellte dafür seine Wohnung zur Verfügung. Die Kunden kamen und gingen aus und ein, bei Tag und spät abends. Immer mußte er anwesend sein, quittieren und sich quittieren lassen. das viele fremde Geld mußte er verwahren, ohne dafür einen diebessicheren Schrank zu haben. Nach heutigen Begriffen sind 300 Mark Bargeld keine große Summe; um die Jahrhundertwende aber lag der Wert des geldes weit höher. Kam unverhofft die monatliche Revision durch den Vorstand und außerdem die durch den Aufsichtsrat, mußte der Kassenbestand Heller für Pfennig aufgezählt werden. Und das alles ehrenamtlich!“ (zitiert nach Festschrift 100 Jahre VB GMHütte-Hagen, 1994, S. 27f.)

Im Juni 1899 hatte die Genossenschaft bereits 94 Mitglieder, der Umsatz belief sich auf fast 100.000 Mark. Ein Jahr später, im Jahr 1900 hatte die Genossenschaft nunmehr 107 Mitglieder und der Umsatz konnte auf 150.000 Mark gesteigert werden.

Ab 1899 fanden die Generalversammlungen im Gasthaus ‚Posthorn‘ statt, das von der Familie Schwengel (später Büscher) betrieben wurde. ‚Fräulein‘ Justine Schwengel übernahm 1899 das Rendantenamt von Hermann Wegmann und führte bis 1913 als erste Frau die Geschäfte der Spar- und Darlehnskasse. Die Genossenschaft nahm eine gute Entwicklung, sicherlich nicht zuletzt durch eine strategische Entscheidungen: die Ausweitung des Geschäftsbezirkes. Zunächst umfasste das Geschäftsgebiet die Gemeinden Hagen, Altenhagen, Mentrup, Gellenbeck, Natrup, Sudenfeld und Ohrbeck. Im Dezember 1902 beschloss die Generalversammlung die Ausweitung auf die Gemeinden Holzhausen, Malbergen, Holperdorp sowie Hasbergen. 1907 wurde das Geschäftsgebiet nochmals ausgedehnt, so dass nun auch Einwohner aus Stutthausen und Osnabrück die Mitgliedschaft bei der Spar- und Darlehnskasse Hagen erwerben konnten…