Haas war der Organisator des ländlichen Genossenschaftswesens:
Noch viele Jahre nach seinem Tod wurde er als „schöpferische(n) Organisator“ bezeichnet, so etwa im Taschenbuch für landwirtschaftliche Genossenschaften, dass der Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften herausgab (Berlin 1926, S. 245). In anderen Veröffentlichungen findet man auch „Genossenschaftlicher Politiker“[2] oder „Der ‚dritte‘ Mann“[3]. Alles trifft zu. Haas war Initiator und Lenker des Reichsverbandes, dem größten Dachverband deutscher Genossenschaften.
Mit „praktischen Blick“[4] nutzte Haas die Erfahrungen Raiffeisens und Schulze-Delitzschs, ohne jedoch die beiden Systeme grundsätzlich anzufechten. In Festschriften oder anderen Publikationen wird dieser genossenschaftliche Politiker heute oftmals vergessen…
Karl Friedrich Wilhelm Haas wurde am 25. Oktober 1839 in Darmstadt geboren. Sein Vater war des Gymnasiallehrers und späteren Hofrat und Professor Friedrich Heinrich Haas, seine Mutter Karoline Luise Haas (geb. Künzel), Tochter eines Odenwälder Schreinermeisters. Wilhelm Haas hatte einen älteren Bruder und eine ältere Schwester. Die Familie war lutherischer Konfession. Ab 1857 studierte Haas in Gießen Rechtswissenschaften (bis 1861). 1869 erfolgte die Eheschließung mit Marie Karoline Katharine Kritzler (Tochter von Dr. Friedrich Kritzler). Das Paar hatte einen Sohn und zwei Töchter. Wilhelm Haas starb am 8. Februar 1913.
Jurist, Politiker, Organisator, Genossenschaftler:[5]
1861: Eintritt in den hessischen Staatsdienst, zunächst als Referendar (‚Accessist‘) beim Landgericht in Langen, ab 1863 beim Großherzoglichen Hofgericht in Darmstadt, ab 1864 beim Kreisamt in Darmstadt.
1865: Zweites juristisches Staatsexamen. Anschließend war er als Accessist beim Kreisamt in Dieburg, ab 1866 Kreisamt Groß-Gerau, anschließend Stellen in Heppenheim (1867) und Büdingen (1868).
1866: Eintritt in den landwirtschaftlichen Provinzialverein für die Provinz Starkenburg mit diversen Ämtern. Ab 1892 Präsident des Provinzialverbandes Starkenburg.
1869: Kreisassessor beim Großherzoglichen Hessischen Kreisamt des Kreises Friedberg (Oberhessen).
1873: Gründung Verband hessischer landwirtschaftlicher Konsumvereine in Hessen. Hass wurde Verbandspräsident.
1879: Ernennung zum Polizeirat in Darmstadt.
1881: Mitglied der Zweiten Kammer der Hessischen Landstände. Ab 1898 Erster Präsident der Kammer.
1883: Gründung der Vereinigung deutscher landwirtschaftlicher Genossenschaften (ab 1903 Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften) auf Haas Initiative.
1886: Ernennung zum Kreisrat des Kreises Offenbach.
1896: Ernennung zum Geheimen Regierungsrat.
1898: Reichstagsabgeordneter (bis 1912, Wahlkreis Bensheim-Erbach-Lindenfels-Neustadt).
1908: Verleihung des Titel des Großherzoglichen Hessischen Geheimen Rats.
1911: Berufung durch Großherzog in die Erste Kammer.
Literatur (Auswahl):
- Feineisen, Adalbert: Wilhelm Haas. Gestalter einer großen Idee, Neuwied 1956.
- Finis, Beate: Beweggründe mittelständischer Genossenschaftspioniere des landwirtschaftlichen Bereichs am Beispiel von F. W. Raiffeisen und W. Haas. Zur Integration der Beweggründe in eine empirische Genossenschaftstheorie und in Theorien der Sozial- und Wirtschaftspolitik, Diss. Uni Köln 1979.
- Krebs, Willy: Leben und Persönlichkeit Wilhelm Haas, Manuskript.
- Maxeiner, Rudolf: Vertrauen in die eigene Kraft. Wilhelm Haas. Sein Leben und Werken, Wiesbaden 1976.
- Schlütz, Frauke: Wilhelm Haas, in: Sozialreformer, Modernisierer und Bankmanager. Biographische Skizzen aus der Geschichte des Kreditgenossenschaftswesens. Hg. v. Institut für Bankhistorische Forschung e.V. im Auftrag der DZ BANK AG, München 2016, S. 191-212.
[1] Ausführlich siehe Schlütz, Frauke: Wilhelm Haas. In: Sozialreformer, Modernisierer und Bankmanager. Biographische Skizzen aus der Geschichte des Kreditgenossenschaftswesens. Hg. v. Institut für Bankhistorische Forschung e.V. im Auftrag der DZ BANK AG, München 2016, S. 191-212.
[2] Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 15.11.1989.
[3] Raiffeisen-Informationsblatt des DRV, 15.10.1989.
[4] Taschenbuch für landwirtschaftliche Genossenschaften, hg. v. Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften zu Berlin, Berlin 1926, S. 245.
[5] Siehe auch Zusammenfassung des Vortrags von Frauke Schlütz über Wilhelm Haas beim Friedberger Geschichtsverein im November 2018: https://www.wetterauer-zeitung.de/regional/wetteraukreis/friedbergbadnauheim/Wetterau-Haas-der-ungekroente-Bauernkoenig;art472,516983; Wilhelm Haas – Zeittafel. In: Das Hessenland, 5.6.1956; Gennes, Otto: Wilhelm Haas. In: Totomianz, V. (Hg.): Internationales Handwörterbuch des Genossenschaftswesens, Berlin 1928, S. 434-437, hier S. 434; Tillmann, Hugo: Unser ältester Landesverband. Eine 100-Jahr-Erinnerung an Wilhelm Haas. In: Genossenschaftliche Mitteilungen des Saarländischen Genossenschaftsverbandes e.V., 9/1973; Maxeiner, Rudolf: Vertrauen in die eigene Kraft. Wilhelm Haas. Sein Leben und Wirken, Wiesbaden 1976, S. 25; Ruppel, Hans Georg/Groß, Birgit: Hessische Abgeordnete 1820-1933. Biographische Nachweise für die Landstände des Großherzogtums Hessen (2. Kammer) und den Landtag des Volksstaates Hessen (Darmstädter Archivschriften 5), Darmstadt 1980, S. 120.