Auf dem Weg zur Universalbank…
„Seit der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre war das Umfeld, in dem sich Volksbanken und Raiffeisenbanken bewegten, von starkem wirtschaftlichen Wachstum, neuen Kundenbedürfnissen, sprunghaft zunehmender ‚Bankfähigkeit‘ breiter Bevölkerungsschichten sowie von einem intensiver werdenden Wettbewerb geprägt. Die Konkurrenzsituation verschärfte sich in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre nochmals, nachdem die aus den Dreißigerjahren stammenden Zins- und Wettbewerbsabkommen der Banken 1967 aufgehoben worden waren.„1 Die Banken intensivierten ihre Werbung und Zinsen wurden mehr und mehr ein wichtiger „Wettbewerbsfaktor„.2
Zugleich war es ein Nachteil für die Genossenschaftsbanken, keine Aktivgeschäfte (Kredite) mit Nicht-Mitgliedern machen zu dürfen. Das hemmte das Wachstum, wirkte sich negativ im Wettbewerb aus. Hinzu kamen die Kosten für die zunehmende Automatisierung im Bankgewerbe – die sich aber lohnen musste, das Aufkommen von Geschäftsvorfällen musste eine Automatisierung rechtfertigen. Eine Automatisierung der Automatisierung wäre nicht zuletzt wegen des geringen Eigenkapitals der Kreditgenossenschaften gar nicht möglich gewesen. Jedoch wirkte eine gute Ausstattung sich positiv auf die Kompetenzvermutung aus. „Schweinebank, hörte man noch oft, als ich 1967 meine Ausbildung bei der Raiffeisenbank in Bissendorf angefangen habe„, erinnert sich Ingrid Bokelmann.3
1980er Jahre – Genossenschaftsbanken als Universalbanken
In dieser Zeit gab es viele Veränderungen im Kundengeschäft, und auch im Betrieb. Die meisten Volks- und Raiffeisenbanken darf man (spätestens) seit Anfang der 1980er Jahre als Universalbanken bezeichnen, heißt: Sie boten alle modernen Finanzdienstleistungen an:
- Neben dem traditionellen Kreditgeschäft
- und dem Passivgeschäft
- kümmerten sie sich auch um das Vermögensmanagement ihrer Mitglieder und Kunden (Festgelder, Sparbriefe, Wertpapiere etc.),
- boten Versicherungsleistungen (über die R + V-Versicherung) an
- usw.
Der bargeldlose Zahlungsverkehr (Überweisungen, Schecks, Daueraufträge, Lastschriften und Lohn- und Gehaltskonten) gehörte längst zu den Standartaufgaben. Auch Devisen konnten über die Bank besorgt werden, „wobei das schon ziemlich einfach gehalten war. Ich erinnere mich, dass wir in den 1970er Jahren einen Kollegen hatten, dessen Sohn war bei der Deutschen Bank. Der brachte dann die Devisen von dort mit. Um die Bausparverträge kümmerte sich ein Kollege von der Bausparkasse Schwäbisch Hall“, erinnert sich Ingrid Bokelmann. „Das Versicherungsgeschäft lief über eine Versicherungsagentur, die unser Vorstand, Herr Homburg, leitete“. Erich Homburg war seit 1972 Vorstand und führte bis 1988 die Geschäfte der Bank. Neben den genannten Finanzdienstleitungen gab es auch verschiedene besondere Angebote, wie etwa den ‚Aktienclub‘ bei der Raiffeisenbank Bissendorf. Zudem gab es eine Vielzahl Aktivitäten für Mitglieder und junge Leute, wie Malwettbewerbe, Infoabende, Ausstellungen.
SB-Geräte für die Kunden
Ein nicht unwesentlicher Schritt zum heutigen Omnikanal-Banking – 24 Stunden, 7 Tage die Woche, viele Wege – war die Einführung von Selbstbedienungsgeräten (SB), von Geldausgabeautomaten und Kontoauszugsdruckern. Hatten die Kunden bis dahin die Kontoauszüge noch persönlich während der Öffnungszeiten am Schalter abgeholt, konnten sie nun zu extrem ausgeweiteten Zeiten, oder gar rund um die Uhr, Geld am Automaten ziehen und sich über den Kontostand und Kontobewegungen mittels der im Foyer aufgestellten Kontoauszugsdrucker informieren.
War das Bankgeschäft in den 1970er Jahren noch relativ einfach, entstanden seit den 1980er Jahren also ‚Universalbanken‘ mit verschiedenen Abteilungen, komplexeren Abläufen, größeren Teams, immer mehr Automation, vor allem mit einer umfangreichen Palette an Finanz- und Versicherungsdienstleistungen.
„Die Technisierung und die Formalisierung sind sicherlich die größten Veränderungen
seit ich Anfang der 1970er bei der Raiffeisenbank angefangen habe“, resümiert Ingrid Bokelmann. „Was sich sicherlich heute niemand mehr vorstellen kann, dass in den 1980er Jahren in unserer Schalterhalle noch geraucht wurde.“ Ähnlich die Erinnerungen von Heinz Niemann, der uns ebenfalls als Zeitzeuge zur Verfügung stand.
Aufbau eines Zweigstellennetzes – bei den Bissendorfern schon ab 1949
Die Raiffeisenbank unterhielt
- neben der Filiale in Oldendorf, die durch die Fusion mit der Nachbargenossenschaft Oldendorf 1971 durch Umwandlung der ‚Hauptstelle‘ in eine Zweigstelle entstand,
- noch eine Filiale in Wissingen (seit 1949) und
- eine Zweigniederlassung in Belm (ab 1996).
Die Geschäftsstelle Wissingen bestand seit 1949, zunächst in gemieteten Räumen, dann ab 1959 in eigenen Räumen am Sandweg. 1971 wurde das Gebäude erweitert. 1998 nochmals modernisiert.
Der Austausch von Daten war unter den Filialen sicherzustellen. Freigaben für Kredite folgten in der Regel aus der Hauptstelle, wo der Vorstand sein Büro hatte.
Die ganz banalen, praktischen Dinge, wie Hängeregister und Aktenmappen…
Welche Auswirkungen diese Weiterentwickelung des Bankbetriebs hatte und auf welche Bereiche und Themen sich diese Entwicklung auswirkte, wird in einem Gespräch mit dem Mitglied Helmut Riecken deutlich. Helmut Riecken arbeitete seit 1982 für Danzer, eine Firma, Helmut Riecken arbeitete seit 1982 für Danzer, eine Firma die seit über 60 Jahren Hersteller von Spezialprodukten für Geldinstitute ist und mehrere Schutzrechte besitzt. Sie ist stahlverarbeitend (feuersichere Schränke + Archivanlagen), Kunststoff- und Papier verarbeitend (Kreditakten mit Kombischiene zur vertikalen und lateralen Ablage) und Marketingprodukte wie Themenordner, Kontoauszugshefter und Scheckkartenhüllen. „Wir waren gelistet beim Sparkassen- und DG-Verlag und die Institute konnten jeweils entscheiden, wie sie die Abrechnung wünschten. Ich habe viele Banken mit den passenden Aktenmappen versorgt. Es gab zwar einen Aktenplan vom Verband, aber dennoch teils große Unterschiede zwischen den Ablagesystemen der einzelnen Genossenschaftsbanken. Kundenakten mussten dem Schriftgut angepasst sein, durften nicht zu breit sein, zu viel Platz in der Registratur oder in der Kreditabteilung in Anspruch nehmen. Jede Bank hatte für die Ablage ein bestimmtes System. Abgelegt wurde nach Kontonummern und Prüfziffer. Wurde etwas umgestellt, waren händisch alle Reiter auszutauschen. Besonders kniffelig war das bei Fusionen, wenn unterschiedliche Systeme vorhanden waren oder Kontonummern sich doppelten.“
Helmut Riecken, gelernter Einzelhandelskaufmann, zuletzt Vertriebsleiter Nord und Prokurist bei Danzer, erinnert sich auch gut daran, wie immer mehr die Elektronische Datenverarbeitung Einzug in den Banken erhielt: „Das hieß für uns, dass die Bankkaufleute nun Mappen brauchten, die ein Fach im Aktendeckel hatten, in das man die Diskette mit den Kundendaten schieben konnte. Oder die Microfiche mussten auch irgendwie abgelegt werden. Sehr geholfen hat mir immer die offene, freundliche Art auch hier im Haus. Sie konnten hier in der Bank mit jedem reden. Ich hab mich nach den Anforderungen erkundigt: ‚Was brauchst Du?‘ und dann konnten wir Lösungen passend zu den Anforderungen des jeweiligen Bankbetriebs finden.“
1. Bernd Kubista: Die Neuordnung der genossenschaftsverbände 1972. In: Dieter Lindenlaub/Carsten Burhop/Joachim Scholtyseck (Hg.): Schlüsselereignisse der deutschen Bankengeschichte, Stuttgart 2013, S. 387-401, hier S. 387.
2. Ebd., S. 387.
3. Das Zeitzeugengespräch führte Dr. Frauke Schlütz mit Ingrid Bokelmann am 4.12.2018 in Bissendorf.
4. Das Zeitzeugengespräch führte Dr. Frauke Schlütz mit Helmut Riecken am 28.11.2018 in Oesede.