Ingrid Bokelmann, langjährige Mitarbeiterin der Volksbank GMHütte-Hagen-Bissendorf, begann 1967 mit 15 Jahren ihre Lehre bei der Raiffeisenbank Bissendorf. Die 1970er Jahre beginnen mit vielen Veränderungen: Verschmelzung mit der Raiffeisenbank Oldendorf, die Einführung der Elektronischen Datenverarbeitung, der Ausbau der Geschäftsstelle Wissingen, ein Rendantenwechsel…

Wie entstand die Idee eine Banklehre zu machen?

Ich war 15 Jahre alt, besuchte die Volksschule. Mein Vater war Postbeamter und kam daher täglich zur Bank. Ich wollte gern etwas im Büro machen. So war es irgendwie die Idee meines Vaters, dass ich eine Banklehre mache. Er sprach dann mit dem Rendanten Lührmann und ich ging zum Vorstellungsgespräch. Einige Wochen später habe ich dann in Bissendorf meine Lehre angefangen. Es war schon eher ungewöhlich, dass die Tochter eines Postbeamten bei einer Raiffeisenbank eine Lehre beginnt, oft waren es eher die Kinder von Landwirten. Den Lehrvertrag unterschrieb übrigens mein Vater, ich war ja noch nicht volljährig. Aber selbst, wenn ich volljährig und schon verheiratet gewesen wäre, war damals noch die Einwilligung des Ehemannes notwendig. Bis 1977 konnten Frauen nicht ohne die Einwilligung des Ehemannes einen Arbeitsvertrag unterschreiben.

Bankenwerbung, die Privatkunden ansprach, Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre (Quelle: Jahrbuch des Deutschen Raiffeisenverbandes, 1970, S. 41)

Wie groß war die Bank zu dieser Zeit? Wer kam zu Ihnen an den Schalter?

Als ich meine Lehre begann, waren wir ein vergleichsweise noch sehr kleines Team: der Rendant, drei Mitarbeiter, ein Lehrling. Die Kunden waren Bissendorfer. Vor der Verschmelzung mit Oldendorf hatte die Genossenschaftsbank so 900 Mitglieder, nach der Verschmelzung, Mitte der 1970er Jahre, etwa 1.300. Viele Mitglieder waren Landwirte und Gewerbetreibende. Den Privatkunden, wie wir ihn heute vor Augen haben, gab es so ja gerade erst, seitdem Löhne und Gehälter nicht mehr bar ausgezahlt wurden, sondern auf das Girokonto überwiesen wurden. Wertpapiere, Aktien oder andere Anlageformen waren noch nicht so verbreitet. Meist waren es also Landwirte, die zur Milchgeldverrechnung kamen, oder Gewerbetreibende, die eine Zwischenfinanzierung oder einen Betriebsmittelkredit anfragten. Oder Privatkunden, die ein Baudarlehn beantragten. Das war alles noch völlig anders: Man ging zur Bank, fragte nach einem Kredit. Der Rendant, der ehrenamtliche Vorstand oder der Aufsichtsrat kannten die Leute, wussten wer kreditwürdig war und konnten dann ohne viel Formalismus eine Zusage machen. Die finanzielle Situation des Darlehnssuchenden wurde, anders als heute, nicht eingehend gemeinsam mit dem Kunden analysiert, es wurde auch nicht in dem Umfang auf Risiken hingewiesen oder eine Risikolebensversicherung angeraten. Dieses ‚Jeder kennt jeden‘ war für die Bank aber manchmal auch nachteilig, weil der eine oder andere ja gar nicht wollte, dass zum Beispiel der Nachbar in seiner Rolle als ehrenamtlicher Aufsichtsrat oder Vorstand etwas über seine Finanzen wissen sollte. Was sich sicherlich heute niemand mehr vorstellen kann, dass in den 1980er Jahren in unserer Schalterhalle noch geraucht wurde. Auch kam da mal ein Cognac auf den Tisch – heute völlig undenkbar.

Was waren Ihre Aufgaben?

„Alles wurde noch handschriftlich oder mit Schreibmaschine erledigt. Zum Beispiel haben wir die Überweisungsträger für unsere Kunden ausgefüllt. Diese wurden anfänglich noch mit dem Kurier nach Osnabrück zur Zentralbank gebracht, wo dann alles gebucht wurde. Später wurden die Angaben elektronisch zur Zentralbank übermittelt. Für Sparkonten haben wir die Buchführung selbst vorgenommen. Kunden kamen, holten Geld am Schalter. Dass jemand Sorten anfragte, kam selten vor. Wir haben Zinsscheine verwaltet, haben ‚Schnippelpapiere‘, also Tafelpapiere, eingetauscht. Viele deponierten früher die wichtigsten Unterlagen im Koffer auf dem Kleiderschrank. In den alten Häusern war das Usus. Brannte der Dachstuhl, konnte man schnell den Koffer schnappen und raus. In solchen Verstecken hatten die Kunden oft ihre ‚Schnippelpapiere‘ und wenn sie Geld brauchten, konnten sie diese gegen Zahlung von Steuern und Gebühren eintauschen. Die Bank lebte von der Zinsspanne – heute in der Phase der Niedrigzinsen gar nicht mehr vorstellbar.“

 

Marktbereichsleiterin Ingrid Bokelmann (Quelle: 100 Jahre Raiffeisenbank Bissendorf, Festschrift, 1999, S. 42)

Wie ging es nach Ihrer Ausbildung weiter?

„Ich bin als junge Bankangestellte weiter für die Raiffeisenbank tätig gewesen. 1973 konnte ich die ehemalige Dienstwohnung des Rendanten über der Bank mit meinem Mann beziehen. Ich erinnere mich gut, wie manchmal Kunden klingelten und außerhalb der Öffnungszeiten Geld holen wollten. Nur ging das nun nicht mehr, da ich anders als der Rendanten keinen Zugang zum Tresor hatte. Als der Rendant noch in der Wohnung wohnte, war es nicht ungewöhnlich gewesen, dass jemand noch mal eben sonntags Geld abhob, oder die Mitarbeiter der Gastwirtschaft rumkamen und Wechselgeld tauschten. Ich habe später Fortbildungen an der Genossenschaftsschule in Rastede besucht, die Weiterbildung zur Vermögensberaterin gemacht. Das Thema Vermögensbildung wurde immer wichtiger. Da das Team auch in den 1980er Jahren noch nicht so groß war, hat man geschaut, wem das Thema liegen könnte, wer sich einarbeiten könnte… Das Thema ist umfangreich.“

Was war die größte Veränderung in der Zeit von Ihrer Lehre bis Sie in Ruhestand gegangen sind?

Die Technisierung und die Formalisierung sind sicherlich die größten Veränderungen und das Größenwachstum. Die Beratung ist heute umfassender. Schon immer gilt: Der Bedarf unserer Kunden und Mitglieder steht im Mittelpunkt.“

 

Herzlichen Dank für das Gespräch

Dr. Frauke Schlütz, November 2018