Alex Warner ist leider am 27. Januar 2020, vor Freigabe des Textes, verstorben.
Wir danken seiner Familie, dass wir den Text hier dennoch verwenden dürfen.
Für Historiker sind solche Gespräche, wie die Autorin mit Alex Warner führen durfte, sehr wertvoll,
nicht nur zur Dokumentation der neueren Geschichte der deutschen Genossenschaften.

 

Wir feiern zwar das Jubiläum der Volksbank, wollen aber dennoch nicht versäumen, auch einen kurzen Blick auf andere Genossenschaften zu werfen, die in verschiedenen Wirtschaftsbereichen ihre Mitglieder förder(te)n. Kreditgenossenschaften waren bzw. sind in den meisten Orten nicht die einzigen Genossenschaften. Bis heute gibt es Genossenschaften mit den verschiedensten Aufgaben: Energie, Handel mit landwirtschaftlichen Waren, Molkerei usw.

Von der Bezugs- und Absatzgenossenschaft…

Der Ursprung der Bezugs- und Absatzgenossenschaften ist teilweise noch älter als der der Kreditgenossenschaften; An vielen Orten bestand erst eine Bezugs- und Absatzgenossenschaft und dann wurde eine Kreditgenossenschaft gegründet. Nicht selten wurden die Spar- und Darlehnskassen und die Bezugs- und Absatzgenossenschaften in Personalunion geführt. Die chronologische Entwicklung der Raiffeisen Warengenossenschaft Osnabrücker Land eG, in der nach mehreren Zusammenschlüssen die hiesigen, ehemals selbstständigen Warengenossenschaften aufgegangen sind, wird an dieser Stelle nur knapp, der Vollständigkeit halber, nachgezeichnet:

Der Landwirtschaftliche Consumverein eGmuH für die Samtgemeinde Oesede und Umgebung wurde am 6. November 1902 gegründet – relativ spät. Da gab es bereits seit teils zwei Jahrzehnten in vielen Orten solche Genossenschaften. Der erste Geschäftsführer war der Bauer und Gastwirt Gartmann-Dütmann aus Oesede. Seine Scheune diente als erstes Lager, seine privaten Räume wurden als Büro genutzt. Für die Klosterbauernschaft wurde ein weiteres Lager ‚Im Sutarb‘ bei dem Bauern Niemann eingerichtet.  Es folgte als Geschäftsführer Bauer Josef Niermann. In den 1930er Jahren wurde die Geschäftsstelle in die Gastwirtschaft ‚Zur blauen Donau‘ verlegt und den Posten des Geschäftsführers übernahm der Gastwirt und Kaufmann Wilhelm Steinkamp. Sein Nachfolger war sein Stiefsohn Josef Teupe.1 

Die Organisation der ländlichen Genossenschaften – eine Darstellung aus dem Jahrbuch 1954 des Deutschen Raiffeisenverbandes.

 

Alex Warner, bis 1988 Geschäftsführer der Raiffeisen-Warengenossenschaft, erinnert sich gut: „Ich habe 1954 eine Lehre bei ‚Raiffeisens‘ begonnen. Ich bin zunächst zum Gymnasium gegangen, habe dann eine kaufmännische Ausbildung bei der landwirtschaftlichen Zentralgenossenschaft (Zegeno) in Osnabrück absolviert. Am 1. Januar 1960 übernahm ich die Geschäftsführung der Warengenossenschaft St. Johann und Kloster Oesede. Das war dort alles sehr einfach, das waren primitive Verhältnisse: Das Büro konnte nicht einmal richtig geheizt werden, sanitäre Anlagen gab es nicht. Die Geschäftsführung zu übernehmen, bedeutete, genauso mit anzupacken wenn Waren geliefert wurden wie jeder andere.2

 

Werbung in der ‚Raiffeisen-Rundschau‘, 1957 (Ausgabe Nr. 7)

 

…zum Raiffeisen-Markt

Strukturelle Veränderungen, neue Düngemethoden und neue Bewirtschaftungsformen führten zu Veränderungen im Warenhandel und nicht zuletzt auch zu einem Konzentrationsprozess bei den Warengenossenschaften hier in der Region:

  • 1960 erfolgte der Zusammenschluss der Warengenossenschaften Kloster Oesede und St. Johann (Voxtrup) – Sitz Kloster Oesede
  • 1968 kam die ehemals selbständige Warengenossenschaft Hagen dazu
  • 1971 Verschmelzung der Warengenossenschaft Wellingholzhausen-gesmold
  • 1975 Verschmelzung mit der Warengenossenschaft Wissingen
  • 1982 Verschmelzung mit der Warengenossenschaft Hasbergen
  • 1984 Verschmelzung mit der Warengenossenschaft Osnabrück-Schinkel
  • 1994 Verschmelzung mit der Warengenossenschaft Melle-Neuenkirchen
  • 2001 Verschmelzung mit der Warengenossenschaft Wittlager Land
  • Auf diesem Weg wurden auch private Landhandelsunternehmen und Kornhäuser übernommen.

Mit den Verschmelzungen wuchs der Geschäftsumfang erheblich. Der Sitz der Genossenschaft wurde 2000 von Oesede nach Melle verlegt. Neben der Hauptstelle bestanden sieben Geschäftsstellen. „Die kurzen Wege waren wichtig, sowohl musste der Aufwand für den Landwirt möglichst gering sein, als auch wären unsere Landwirte nie wo anders hingegangen. Das war ja ihre Genossenschaft. Auch die Identifikation der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder mit unserer Genossenschaft war groß. Das Verhältnis zu den anderen Genossenschaften war gut, die personellen Verbindungen teils eng, was nicht bedeutet, dass immer alles harmonisch war“, erinnert sich Alex Warner, der nicht nur „Raiffeisen im Blut hat„, sondern sich für seine Region immer schon stark engagiert hat, viele Jahre auch als Ratsmitglied der Stadt Georgsmarienhütte. „Die Gebietsreform und die Entstehung der Stadt Georgsmarienhütte 1970 war auch für die weitere Entwicklung des Genossenschaftswesens richtungsweisend.

War anfänglich die Produktpalette auf die Landwirte ausgerichtet und konnten nur Mitglieder über die Genossenschaft einkaufen, können heute auch Privatkunden Waren für Haus und Garten bei der Warengenossenschaft kaufen. „Im Laufe der Jahre haben wir uns freilich auch erheblich professionalisiert. Am Anfang habe ich mit Journalen meine Buchführung gemacht. dann kamen die Lochkarten. Die wurden zunächst mit einem Bringdienst zur Warenzentrale gebracht. Später haben wir unsere Zahlen per Telefon überspielt und die bearbeiteten Bögen kamen nur noch mit dem Bringdienst“, so Alex Warner, der 28 Jahre lang die Geschäfte der Warengenossenschaft führte.

 

1. 100 Jahre Volksbank Georgsmarienhütte-Hagen eG, 1994, S. 86/87.

2. Das Zeitzeugengespräch führte Dr. Frauke Schlütz mit Alexander Warner am 28.11.2018 in Oesede.